Schweizer Sage
Der Marcher
Einleitung
Hier eine Sage aus dem alten Wallis als Vorgeschmack auf das Regionaltreffen zum Thema «SteinReich» (7. September in Leuk/Wallis), die mir unsere neue Vizevorsitzende Susanne Hugo zugesandt hat:
Im alten Wallis, diesem ländlichen Berggebiet, lebten und ernährten sich die Familien früher von der Landwirtschaft. Der teilweise karge Boden gab nicht sehr viel her. Jeder Meter Boden war deshalb wertvoll und wurde mit Marchsteinen gekennzeichnet und verteidigt. Es galt als Frevel, wenn man Marchsteine versetzte und so andere um den wertvollen Boden betrog. In einem solchen Falle war es für die Leute klar, dass der Frevler nach seinem Tod als arme Seele (Sünder) keine Ruhe finden konnte und seine Untat büssen musste. Die folgende Geschichte erzählt davon.
Der Marcher
Wo in Enggersch (Nähe Jeizinen – Region Leuk) die Gasse nach Brentschen führt, stand eines Abends unterhalb der Kreuzgasse ein Mann am Fenster und schaute hinaus. Da sah er in der Jeizinenmatte jemand, der einen feurigen Marchstein umhertrug. Dabei schrie er in aller Angst: «Wa solis tüo, wa solis tüo?»
Der Mann am Fenster dachte sich nichts Weiteres und rief ihm eher aus Dummheit hinunter: «Tüos, waas gchehrt, de chuntsder ab.»
Er hatte kaum fertig gesprochen, war das Feuer verschwunden und der Geist stand vor seinem Fenster, um sich bei ihm zu bedanken, jetzt sei er erlöst.
Josef Guntern: Walliser Sagen. Buchclub Ex Libris: Zürich, 1975.
Parabla 2013-02