Volksmärchen – Kunstmärchen
Das europäische Volksmärchen ist welthaltige Dichtung. Nach dem Schweizer Literaturwissenschafter Max Lüthi zeichnet sich das Volksmärchen durch Eindimensionalität, Flächenhaftigkeit der Figuren und abstrakten Stil aus. Der Märchenheld ist zugleich isoliert und allverbunden. Die Motive entstammen der Wirklichkeit, werden aber entwirklicht, sublimiert. Im Volksmärchen verlieren Dinge wie Personen ihre individuelle Wesensart, werden schwerelos und transparent.
Im Gegensatz zu mündlich überlieferten Volksmärchen sind Kunstmärchen Werke eines einzelnen Autors oder einer Autorin. Diese Bezeichnung enthält keine literarische Wertung, sondern hebt das Moment des Gemachten heraus. Wie zum Beispiel bei Hans Christian Andersen, zeigt der Stil eines Kunstmärchens deutlich die Eigenart seines Verfassers, und der Inhalt kennzeichnet den individuellen Menschen.
Mythos
Mythos wird definiert als eine bildhafte, vorwissenschaftliche Sinnerklärung der Wirklichkeit, eine Grundform menschlicher Weltdeutung, die geglaubt werden muss. Mythos ist eine heilige Erzählung. Diese berichtet von einer imaginären Welt göttlicher und halbgöttlicher beziehungsweise dämonischer Wesen und ihren Handlungen.
Legende
Legenden sind religiös erbauliche, volkstümliche Erzählungen um den irdischen Lebenslauf eines Heiligen beziehungsweise um einzelne Wunder. Märchen christlichen Inhalts, auch Legendenmärchen genannt, enthalten Aussagen dogmatischer Art und gelten als Mischform.
Sage
«Sage» ist ein Sammelbegriff für kurze, alte wie moderne, meist mündlich überlieferte Erzählungen. Sagen sind Geschichten um Erschreckendes, um menschliche Ängste: Sie zeigen das breite Spektrum menschlicher Auseinandersetzung mit der eigenen und der ihn umgebenden Natur oder Technik, mit der historischen Realität und mit der jenseitigen Welt. Die Begebenheiten der Sage werden für wahr gehalten und durch Bezugspersonen oder Ortsangaben beglaubigt.
Fabel
Fabeln sind kurze, witzig-satirische, gleichnishafte Erzählungen. Merkmale der Fabel sind redende Tiere anstelle von Menschen und versteckte oder ausgesprochene Kritik an deren Handlungen. Die Fabelautoren verpacken in der abschliessenden Moral praktische Lebensweisheiten oder politische Aussagen.